Die „Insel der Stille“ vom Verkehr durch braust

von
Heinrich Ottensmeier

 

Im Buchholz und im Sudbachtal

Am „Dreiländereck“, da wo die drei Kirchengemeinden Gohfeld, Mahnen und Wittel sich berühren, liegt am östlichen Abhang des „Hagen“ zu beiden Seiten des alten Postweges die Gruppensiedlung „Im Buchholz“. Vergeblich jedoch suchen wir heute nach dem „Buchholz“, denn von einem Walde ist hier, wenn wir von den kümmerlichen Buschresten, die die Siekabhänge begrünen, kaum noch etwas zu entdecken. Der Name „Buchholz“, in früheren Jahrhunderten auch „Boekholt“ geschrieben und in der alten Mundart auch „Beokholt“ bezeichnet, deutet darauf hin, daß hier der Buchenbestand vorherrschend gewesen sein muß.

Von der ersten Besiedlung des Buchholzes ist uns wenig bekannt. Gewiß war der erste Siedler im Buchholz „der Buchholz“ oder unter Voransetzung des Vornamens der „im Buchholz“. Das Gohfelder Kirchenregister rechnet etwa um das Jahr 1720 die Besitzer Hans Bockholz, Joh. Otto im Bockholz, Gerd Henrich Lichte, Jobst Henrich Rottman, Wilbrand oder Wulbrand und Johann Kleymeyer zum „Beokholz“. Wir müssen allerdings annehmen, daß der Kleihof  vor dem Buchholz lag und der älteste und größte Hof der Bauernschaft Jöllenbeck war. In einem Höferegister der Vogtei Gohfeld, des Amtes Hausberge aus dem Jahre 1683 verfügt der Spannmeyer oder Halbspänner Otto Kleimeyer über 69 Morgen 13 Ruthen Saatland, 6 ½ Morgen 14 Ruthen Wiesen, 7/8 Morgen Garten, 3 3/8 Morgen Busch, insgesamt also über 79 ½ Morgen 12 Ruthen. Grundbesitz. Halbmeyer heißt er dewegen, weil er dem Amt wöchentlich 2 Tage mit dem halben Spann dienen muß oder dafür jährlich 5 Thaler Dienstgeld zu entrichten hat. In einem Verzeichnis der Dienstgelder der Vogtei vom Jahre 1680 finden wir unter Verpflichteten der Bauerschaft Jöllenbeck als erste „Drinske ufm Kley“ aufgeführt. Zwar ist die Bezeichnung „Kley“ gerade keine Empfehlung für den Boden, aber der gute Acker des Hofes überwiegt doch bei weitem. Man darf annehmen, daß vom Kleihofe aus die Besiedlung des Buchholzes vorgenommen wurde, wenigstens soweit, wie die Siedlungen zur Bauerschaft Jöllenbeck gehören. Das trifft zu für die Besitzungen Buchholz 32 (jetzt Engelbrecht), Buchholz 41 (Buchholz) und Lichte 57 (Böker). Wann diese Höfe entstanden sind, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen, da bei den genannten Höfen das Register aus dem Jahre 1683 keinen „Buchholz“ auffinden läßt, doch mag hier die Bezeichnung „Buchholz“ zu Gunsten eines Vornamens fortgelassen sein. Aus einem Verzeichnis aus dem Jahre 1745 wird jedoch für die Besitzung 32 bereits ein Buchholz als Eigentümer genannt, während der Besitzer der Stätte 41 Ehlebracht heißt. Beide bewirtschaften zu der Zeit 16 Morgen Land, während der Lichte Nr. 57 ein ganz kleiner Anfänger zu sein scheint, der nur einen Morgen Land sein Eigentum nennen kann. Ob dieser Siedler aus körperlichen oder charakterlichen Gründen sich seinen Namen verdient hat, bleibt ungeklärt. Die drei Stätten Meinert (Poppensieker) 65, Wulbrand (Schröder) 67 und Baurichter (Schürmeier) 68 sind in der Zeit zwischen 1683 und 1745 von Bischofshagen aus besiedelt. Meinert, der auch Rottmann genannt wird, verfügt 1745 über 2 Morgen, Wulbrand über 7/8 Morgen und Baurichter über einen Morgen Land. Das der Meinert-Rottmann auch im Volksmund „Scheolbua“ genannt wird, scheint seine Ursache darin zu haben, daß er zu seinem Neubau das Holz der abgebrochenen Schule Bischofshagen verwandte.

Die Besitzungen liegen unmittelbar am alten Postweg, der von der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege bis um die vorletzte Jahrhundertwende die Hauptverkehrsstraße Brandenburgs bzw. Preußens vom Osten nach Westen bildete. Nicht nur Handels- und Warenzüge durchzogen diese sonst abgeschiedene kleine Siedlung, sonder besonders in der Zeit des Siebenjährigen Krieges hatten befreundete und feindliche Truppen im Buchholz geerntet, ohne dort gesät zu haben. Nur noch drei Siedlungen kamen im vorigen Jahrhundert im Buchholz dazu: Die Neubauern Klingsiek, Bischofshagen 80, Kiel, Bischofshagen 105 und Korte, Jöllenbeck 117. Aus der letztgenannten entwickelte sich die Möbelfabrik Korte, die später in den Besitz des Fahrradfabrikanten Ellermann übergegangen ist. Die übrigen sieben Häuser im Buchholz sind im letzten Jahrhundert entstanden und hatten mit der Landwirtschaft kaum noch etwas zu tun. So herrschte, wenn von dem Betrieb, den die sich nach dem ersten Weltkrieg hier entwickelte Fabrik im Gefolge hatte, seit mehr als eineinhalb Jahrhundert wieder Ruhe und dörflicher Friede. Kaddenbusk, Buchholz und das angrenzende Sudbachtal waren eine „Insel der Stille“, die besonders gern von Wanderern, Spaziergängern und Naturfreunden aufgesucht wurde. Lediglich der Zusammenbruch des letzten Weltkrieges zog auch das Buchholz mit in das kriegerische Geschehen ein, und das Gehöft Engelbrecht wurde beim Einmarsch der Westmächte in Brand geschossen.

Mitte der sechziger Jahre kam Erschrecken über Natur- und Heimatfreunde, als sie feststellen mußten, daß in die verwunschene Schönheit und Einsamkeit des Sudbachtales Lastwagen mit Material, Bagger und Kräne hereinbrachen und mit ihrem Motorengeknatter die märchenhafte Stille vertrieben. Wer noch den Mut fand, durch den Lärm und die Menschen mit fremden Lauten sich hindurchzuzwängen, tat das eilenden Fußes. Und dann wurde das Sudbachtal weithin gemieden. Was sollte auch noch nach dorthin ziehen? Lärm konnte man überall haben! und dann noch dazu mit blutendem Herzen die blutende Landschaft sehen? –

Nun ist der Lärm verhallt! Wagen und Maschinen, ja, auch die fremden Menschen sind weitergezogen. Nur das Werk, das sie in monatelanger Arbeit erstehen ließen, ist geblieben. Eine gewaltige, aus Stein gefaßte Brücke überspannt das Sudbachtal in der Nähe des Buchholzes. Und nun muß auch der Skeptiker erkennen, daß diese Brücke zwar zunächst als Fremdkörper in dieser vertrauten Landschaft, in dem sonst unberührten Gebiete, wirkt, daß sie sich aber doch sehr gut in das Gelände einfügt, und selbst die Vögel haben bereits erkannt, daß sich ihnen in den hohen Brückenbogen Schlupfwinkel und alle Möglichkeiten für ihr Brutgeschäft und die Aufzucht ihrer Kinder bieten.

Eine „Insel der Stille“ kann man dieses schöne Fleckchen Erde nun wohl nicht mehr nennen: Doch trotz des über das Tal hinwegbrausenden Verkehrs und des monotonen  - klack-klack, -  das die Autos beim Passieren der Dehnungsfugen des Brückenbauwerkes erzeugen, bleib das Sudbachtal und mit ihm das Buchholz doch ein liebenswerter Ort.

Heinrich Ottensmeier
aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1968“