Kampf um die Wegestation auf dem Gohfelder Wittel
von
Heinrich Ottensmeier
Die Jöllenbecker Markeninteressenten wehren sich „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, wird der Wegegeldeinnehmer Tiesmeier auf dem Gohfelder Wittel gedacht haben, als er sich am 9. Februar 1801 bei der Kriegs- und Dömänenkammer in Minden beklagte. – Soeben war die neue Straße, die Köln-Mindener Chaussee, die heutige Bundesstraße 61, fertiggestellt und dem Verkehr übergeben und der Chausseegeld-Einnehmer Tiesmeier auf dem Wittel mit seinem Amt betraut, da gärt und brodelt es auf dem Wittel, und zuletzt bricht ein offener Kampf aus. Was war denn nun eigentlich los? – Alle Eingesessenen im engeren und weiteren Raum mußten doch froh und dankbar sein, daß durch den Bau der neuen Kunststraße die Wegeverhältnisse einen ruckartigen Schuß zum Besseren getan hatten. Die Städte Herford und Minden und die Saline Neusalzwerk waren auf festen Wegen zu erreichen. Darum konnte man die Wittler doch nur beneiden! Und das nun hier auf dem Wittel in einem kleinen Häuschen ein Wegegeldeinnehmer von den Passanten der neuen Chausee ein Wegegeld einzog, daß war doch fast selbstverständlich. – Aber was war denn nun eigentlich los auf dem Wittel? Lassen wir hier zunächst den Chausseegeld-Einnehmer selbst durch ein Schreiben an die Kriegs- und Domänenkammer in Minden vom 9. Februar 1801 reden:
Obwohl nun der „Allerdurchlauchtigste, Großmütige König“ und die Kriegs- und Domänenkammer in Minden „ihrem“ Wegegeldeinnehmer beizustehen verpflichtet sind, muß dieser jedoch nach vier Wochen einen weiteren Hilferuf nach Minden richten, da er auf die Bestellung des Gartens Bedacht nehmen muß, aber nicht weiß, ob er solches tun darf. Wieder bittet er „flehendlich“, ihn gegen die Markeninteressenten in Schutz zu nehmen. Aber der Papierweg von Minden über das Amt Hausberge zum Wittel scheint auch damals schon recht lang gewesen zu sein. Doch dann wird unter dem 21. März 1801 verfügt, daß die „Unterthanen Dietrich und Franz Held et Cons.“ zur Verantwortung gezogen werden und sich jeder Eigenwilligkeit bei Vermeidung der gesetzlichen Strafe zu enthalten haben. Den Gemeinheitsinteressenten jedoch wird eine Vergütung in Aussicht gestellt, sobald sie nachweisen, daß ihnen in dieser Angelegenheit Nachteile entstanden sind. Aber nun melden sich auch die Eingesessenen aus Bischofshagen und Jöllenbeck als Markeninteressenten zu Wort:
Wenn auch diesmal keine namentlichen Unterschriften folgen, so erhalten die Beschwerdeführer doch nun eine Antwort. Die Kriegs- und Domänenkammer in Minden weist darauf hin, daß es den Markeninteressenten wohl bekannt sei, daß der Chausseegeldeinnehmer Tiesmeyer keine Gelegenheit habe, die nötigen Gartenfrüchte einzukaufen. Einen Garten müsse er also haben und einen Raum zur Stallung könne er auch nicht entbehren. Das haben doch auch die beiden Abgesandten der Jöllenbecker Markeninteressenten, die Coloni Stuke, Jöllenbeck 61, und Fehring, Bischofshagen 31, in ihrer „protokollarischen Vorstellung“ als richtig anerkennen müssen. Sie haben sogar erklärt, daß die Interessenten gern den erforderlichen Platz abgeben würden, wenn sie nur gesichert wären, „daß ihnen ihre Mark nicht durch Wirtshäuser oder sonstige ähnliche Anlagen geschmälert werde.“ Da den beiden Deputierten das in einer unter dem 21. März erlassenen Resolution bereits zugesagt worden ist, wird jetzt erwartet, daß sie dem Tiesmeier bei der Bewirtschaftung seines Platzes, dessen Größe nun allerdings von zwei Morgen auf einen Morgen reduziert wird, nicht hinderlich werden. Damit scheint der Kampf um den Garten des Chausseegeldeinnehmers zum Abschluß gekommen zu sein, denn von einem „Hinderlichwerden“ in dieser Angelegenheit ist keine Rede mehr. „Dem Vernehmen nach“ will der Tiesmeier noch eine Schmiede und verschiedene Wirtschaftsgebäude in der Gegend ihrer Mark errichten. Dabei können sie sich unmöglich beruhigen, denn ihre Mark sei schon durch den Chausseebau selbst und durch den Tiesmeier so geschmälert worden. In ihrer Antwort schlägt die Kriegs- und Domänenkammer einen recht verbindlichen Ton an und scheint nun den Gegnern der Expansionsbestrebungen des Tiesmeiers allen Wind aus den Segeln genommen zu haben. Wegen des Baues eines Wirtschaftsgebäudes könne man beruhigt sein, eine Schmiede jedoch sei an der öffentlichen und stark besuchten Straße sehr nötig, „weshalb die Kriegs- und Domänenkammer zu den Markeninteressenten das Zutrauen hat, daß sie dieser Anlage nicht entgegen seyen, deshalb soll wegen Überlassung eines kleinen Platzes zum Bau einer Schmiede noch mit ihnen verhandelt werden.“ Mit „Friedrich Wilhelm“ schließt das Schreiben und damit auch der Aktenband über den Kampf um die Wegegeldstation auf dem Wittel. Nicht aber der Ausbau des „Unternehmens Tiesmeier“, Wenn schon die Fuhrleute hier auf dem Wittel anhalten mußten, um ihren Wegezoll zu entrichten, wenn schon die Pferde ausgespannt werden mußten, um neu beschlagen zu werden, wenn schon die Wagen zur Ausbesserung in der Schmiede rasten mußten, so ergab sich auch die dringende Notwendigkeit für einen Raum, indem sich Fuhrleute und Fahrgäste aufhalten, erfrischen und stärken konnten. Wer kann es dem Johann Heinrich Tiesmeier übelnehmen, daß er hier für Abhilfe sorgte. Er scheint auch diese Absicht gleich mit eingeplant zu haben, denn das Jahr 1801 ist auch das Geburtsjahr des „Tieskruges“ auf dem Wittel, der sich in mehr als eineinhalb Jahrhunderten zu dem bekannten „Landhotel Wittler Krug“ entwickelt hat. Heinrich
Ottensmeier
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