Von der „Buche der Klage“ zu den „Buchen des Frohsinns“

von
Heinrich Ottensmeier

 

 „Uppa Kaboeken“  liegt die Wittler Waldbühne. – woher der Name?

Wohl die meisten Besucher und Freunde unserer Wittler Waldbühne werden schon Überlegungen angestellt haben, woher die Flur, auf der die Bühne liegt, ihren Namen hat. Die alte Flur „Uppa Kaboeken“ wird schon vor Jahrhunderten in der Kirchenchronik erwähnt und wies seinerzeit in ihrem Bereiche zwei Bauernhöfe auf, von denen heute nur noch einer besteht, nämlich der alte „Kösterhof“, dessen Besitzer heute der Landwirt Fritz Wißmann, Jöllenbeck Nr 17, ist.

Es ist unschwer zu erkennen, daß diese Flurbezeichnung etwas mit Buchen („Boeken“) zu tun hat, und auch heute noch sind es neben Eichen vornehmlich Buchen, die den Besuchern der Mundartspiele in Beckmanns Busche („Bäums Buske“) Schatten spenden. Aber der Flurname „Uppa Kaboeken“ („Auf der Karbuche“) deutet auf eine einzelne Buche hin. Es müßte sich immerhin schon um eine bedeutende Buche gehandelt haben, die imstande war sich auf eine ganze Flur auszuwirken. Die erforderliche Aufklärung kann uns, da Menschen und Chroniken darüber schweigen, nur der erste Teil des Wortes geben. Was bedeutet aber das Wort „Kar“? Wir vermögen es nur auf das alt-hochdeutsche „chara“ zurückzuführen, das soviel wie Klage bedeutet. Es ist das gleiche Wort, das wir auch in Karfreitag wiederfinden. „Kaboeken“ heißt also „Klagebuche“.

Was die Buche zu beklagen hatte, oder aus welchem Grund man sich hier zum Klagen versammelte, dürfte kam mehr zu ermitteln sein. Aber auffallend ist doch, daß hier, weit ab von den eigentlichen Siedlungsgebieten und von den Mittelpunkten ihrer Bauernschaft, nur zwei Höfe liegen, nämlich der zur Bauernschaft Depenbrock gehörige „Sanderhof vorm Holze“ und der Jöllenbecker „Kösterhof“ uppa Kaboeken. „Sander" ist der Abgeordnete, und sein Name ist lagemäßig ohne weiteres zu verstehen und zu begreifen.

Aber was hat hier ein Küsterhof zu tun?

Die Gohfelder Kirche, zu deren Sprengel seit vielen Jahrhunderten besagter Bezirk gehört, liegt zu weit entfernt, als daß ein Küster von der „Kaboeken“ aus zu ihrer Bedienung herangezogen werden konnte. Aber liegt es nicht sehr nahe, den „Köster“ mit der „Kaboen“ in Verbindung zu setzen? Sollte hier einmal ein christliches Heiligtum sich befunden haben? Wohl kaum! Denn darüber würde man doch in irgendeiner christlichen Chronik etwas finden können. Außerdem würde das auch kein Grund zur Klage gewesen sein.

Eher schon könnte man annehmen, daß hier eine furchtbare Bluttat der Anlaß für die Bezeichnung „Karbuche“ gewesen ist. Sollte gar einer der ersten christlichen Glaubensboten oder einer der ersten „Abtrünnigen“ vom alten Wodanglauben unter den Streitäxten der Sachsen sein Leben habe lassen müssen? Nicht ausgeschlossen!

Dann wäre möglich, daß man hier in der Nähe der „Klagebuche“ einen Küster beauftragte, durch tägliches Läuten einer Glocke die Tat zu sühnen oder sie in abschreckender Erinnerung zu halten. Nur in dieser oder ähnlicher Richtung könnte eine Erklärung der Flurbezeichnung „Uppa Kaboeken“ und mit ihr die Erklärung für das Vorhandensein eines „Kösterhofes“ in dieser Gegend gefunden werden. Die „Karbuche“ ist verschwunden! Aber auch der vorhandene „Kösterhof“ schweigt zu den aufgeworfenen Fragen! Doch die alten Namen bleiben lebendig!

Lassen wir nun die Geheimnisse auf sich beruhen! Aber lassen wir uns unter den schattigen Buchen und Eichen „Uppa Kaboeken“ Märchen und Sagen längst vergangener Zeiten zuraunen! – Plötzlich sind wir hellwach! Das sind Stimmen der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart!! Wir hören hier auf der Waldbühne die so alte und doch immer wieder neue Sprache des Volkes und blicken unmittelbar in die Seele des Volkes! Frohes und befreiendes Lachen erfüllt den sonst so stillen Wald. Ja, der „ Heimatdienst der Witteler Waldbühne“, der hier tätig ist, will die Liebe zur Heimat pflegen, will Freude und Entspannung bringen, Aus der „Buche der Klage“ sind „Buchen des Frohsinns“ geworden.

Heinrich Ottensmeier
aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1959“