Sechs Grenzsteine mit Schlüssel und Sparren

von
Heinrich Ottensmeier

 

400 Jahre alte Zeugen mittelalterlicher Kleinstaaterei in unserer Heimat erzählen aus alter Zeit!

Als Karl der Große nach mehr als 30jährigem, blutigem Ringen die Sachsen unterworfen hatte, gründete er zur Ausbreitung und Festigung des Christentums Bistümer, darunter auch das Bistum Minden. Auf diese Weise wurde unsere Heimat „Grenzland“ und ist es durch acht Jahrhunderte geblieben, bis das Bistum Minden im Westfälischen Frieden im Jahre 1648 dem erstarkten Brandenburg des Großen Kurfürsten einverleibt wurde. Als südlicher Nachbar des Bistums Minden trat vom 13. Jahrhundert ab die Grafschaft Ravensberg in Erscheinung, die schon im Jahre 1609 an Brandenburg fiel.

Mancherlei langwierige Streitereien und Kämpfe sind zwischen den beiden kleinstaatlichen Gebilden um den Verlauf der Grenze ausgetragen worden, bis diese endlich nach vorausgegangener Einigung im Jahre 1542 durch Grenzsteine kenntlich gemacht wurden. Diese Steine haben noch ein Jahrhundert lang den ihnen zugedachten Zweck erfüllt, und einige von ihnen haben bis auf den heutigen Tag ihren Posten nicht verlassen. Sie legen Zeugnis ab von der mittelalterlichen Kleinstaaterei im heimischen Bezirk. Es sind noch ihrer sechs, und sie tragen sämtlich auf der einen Seite das mindische Wappen mit den beiden gekreuzten Schlüsseln und auf der entgegengesetzten Seite das ravensbergische mit den drei Sparren und dazu die Jahreszahl 1542. 

Hier Minden – dort Ravensberg

Der frühere Grenzverlauf: Im Süden reichte das Bistum Minden in der Hauptsache bis zur Werre. Rechts der Werre gehörten die Bauerschaften Bischofshagen (Hagen des Bischofs), Jöllenbeck, Depenbrock, Melbergen, Löhne und Falkendiek zum Bistum Minden. Die Grenzgemeinden auf ravensbergischem Gebiet waren demnach Rehme (Bad Oeynhausen, Lohe), Exter und Schwarzenmoor. An den Grenzen dieser Gemeinden haben wir also unsere Steine zu suchen.

Ein Stein verschwand

Im Westen, am „Alten Postweg“, auf der Grenze zwischen Falkendiek und Schwarzenmoor, südlich des alten Wetehofes, stand ein alter Grenzstein. Nachdem er lange Jahre hindurch am Wege gelegen hatte, wurde er von Lehrern wieder an der Stelle aufgerichtet, die ihm einst bestimmt war. Und nun ist dieser Stein spurlos verschwunden.

Der „Kopf“ fehlt

Über den Bredenbach führt uns der Weg hinauf nach Bischofshagen. Zwischen den Grundstücken Brüggemann 322 und Nolting 253, halb von einer Hecke verborgen, steht (stand) der zweite Stein. Ihm fehlt der „Kopf“, augenscheinlich hat er Generationen als Wetzstein dienen müssen. Seine Abzeichen trägt auch er noch als Abglanz vergangener Zeiten. Nach mündlicher Überlieferung soll er ehemals an der „Brömkesbieke“ gestanden haben, also an der Grenze zwischen Bischofshagen und Schwarzenmoor.

Als Torsäule

Ein weiterer Grenzstein steht auf dem Hofe des Bauern Schmidt (Auf dem Thran), hart an der Grenze zwischen Gohfeld und Exter. Der Stein, der in seiner ganzen Größe und Stattlichkeit erhalten geblieben ist, hat seit Jahren das weniger ehrenvolle als praktische Amt einer Torsäule übernommen. 

Nachbildung mit Kehrtwendung

Wohl der schönste der alten Grenzsteine stand im Mittelbachtal in der Nähe von „Taaken Mühle“, auf dem Grundstück des Bauern Sander (Vorm Holze). Jahrhunderte stand er hier im Schutz von Erlen und Hasel, verträumt, bis diese der Axt und der Rotthacke zum Opfer fielen. In der Zeit des „Dritten Reiches“ glaubte man, dieser Stein sei besser in einem Museum aufgehoben. Die entstandenen Streitigkeiten suchte man dadurch zu schlichten, daß der Grenzstein selbst auf dem Amtshausberge verblieb, seinen alten Standort aber eine Nachbildung bezog. Doch grollt diese auch heute noch über den „Stellungswechsel“, denn sie hat, geschichtsfälschend, eine ganze Kehrtwendung gemacht. Hoffentlich gelingt es, in absehbarer Zeit wenigstens die Nachbildung zu einer „Richtigstellung“ zu veranlassen.

Ein einziger Stein scheint von den Ereignissen der Jahrhunderte unberührt geblieben zu sein. Er steht auf der Grenze zwischen dem Amt Löhne und dem Amt Vlotho, in der Nähe des Gehöftes de Landwirts Wilhelm Backs, Melbergen Nr, 27.

Bevorzugt das Heilbad

Von der Burg wandern wir über den Neuenhagen ins Osterbachtal. Unterhalb der Siekertal- wirtschaft, an der Brücke über den Osterbach, lag seit Jahren, mal hüben, mal drüben, ein weiterer Grenzstein. Er ist zwar vom Zahn der Zeit ebenfalls stark angenagt, doch scheint er dafür seinen Postenbereich nicht verlassen zu haben. Neuerdings hat er den Melbergern und damit dem Kreis Herford die Treue gebrochen. Er hat sich, anscheinend in seinem hohen Alter das Heilbad bevorzugend, etwa zehn bis zwanzig Meter von der „Kampflinie“ gen Osten zurückgezogen.

Im Kurpark der Badestadt

Der letzte in der Reihe der bekannten Steine steht im Bad Oeynhausener Kurpark, hart südlich des Badehauses I, Hier verlief einst die Grenze zwischen Minden und Ravensberg und später zwischen den Kreisen Minden und Herford. Die Männer, die ihn setzten oder setzen ließen, werden wohl geahnt haben, daß die damalige Landesgrenze dereinst den Kurpark  eines berühmten Heilbades durchschneiden und der Stein mit den gekreuzten Schlüsseln und den drei Sparren vierhundert Jahre danach Erholung suchenden Kurgästen von mittelalterlicher Kleinstaaterei Kunde geben würde.

Heinrich Ottensmeier
aus „Waldbühne Wittel – Sommerspielplan 1962