Bischof Heinrich bestimmt den Zehnten der Brüder in Bischofshagen

von
Heinrich Ottensmeier

 

Im Jahre 1209 wird Bischofshagen urkundlich erwähnt

Dort, wo der alte Hellweg und der Postweg aus der Werreniederung aufsteigend sich vereinen, liegt der „Hagen“. Dort, wo die Pumpstation und der Hochbehälter als Herz des Amtswasserwerkes (seit 1969-Stadtwasserwerk) das köstliche Naß auf die Gemeinden und Ortschaften verteilen, liegt Bischofshagen. Dort, wo man von der Höhe 150 Mitten in der Ravensberger Mulde einen einzigartigen Rundblick genießen kann von der Porta Wesfalika bis dorthin, wo das Wiehengebirge sich mit dem Teutoburger Wald zu vereinigen scheint wo man weiterhin die Sparrenburg und den Sendeturm auf der Hünenburg bei Bielefeld erkennen kann, wo man – die Herforder Egge und die Steinegge im Rücken – das mittlere und untere Werretal im abendlichen Lichtermeer als eine Riesenstadt zu erkennen glaubt, liegt das von der Natur so begünstigte Bischofshagen. – Das ist nicht allein der schwärmerische Ausbruch eines Heimatenthusiasten, sondern das bestätigte mehrfach auch ein ernstzunehmender Mann, der nicht nur die meisten und schönsten Länder Europas bereist hatte, sonder auch seine Blicke nach Afrika und Asien werfen konnte. Tiefversunken in den Anblick unserer Heimat vom „Hagen“ aus sagte er: „Wenn das hier nicht das schönste Fleckchen Erde ist, so gehört es doch unbedingt mit zu den schönsten.

Aber was ist denn dieses Bischofshagen?

Will man den Ursprung dieser Bauerschaft ergründen, so gibt ihr Name schon Hinweis auf  die Entstehung. In der schriftlichen Überlieferung wird die Hagensiedlung „indago episcopi“ bereits um das Jahr 1200 erwähnt. Hier wird berichtet, daß Heinrich II. Bischof von Minden, den Zehnten in „Biscopishagen“ dem Mindener Domkapitel schenkt. Als 1295 Gottfried von Quernheim mit dieser Hagensiedlung belehnt wird, nennt er diesen Ort „haghen to Hessingchusen“, nach der südlich am Bramschebach gelegenen Ursiedlung Hessinghausen.

In den Jahren 1586 und 1682 erfuhr der Bischofshagen durch die „Eingemeindung“ der umliegenden Bauerschaften Mahnen, Schierholz, Steinsiek, Stickdorn und Kohlflage seine größte Ausdehnung. Dazu kamen noch Teile der Bauerschaft Hessinghausen, deren Name dann ganz verschwand und in Vergessenheit geriet.

Bischofshagen ist also eine seit Jahrhunderten nachweisbare Bauerschaft, die von der Werre bis zur Dornberger Heide reicht und damit an die Gemeinde Exter, Schwarzenmoor, Falkendiek und Löhne grenzt. Es ist die Bauerschaft, die im Norden von der Eisenbahn durchschnitten und in Auswirkung dieser Einrichtung einen „Klotz ans Bein“, die sie weitüberrundete Ortschaft Löhne-Bhf., gebunden erhalten hat und jetzt Gefahr läuft, von diesem, ihrem eigenem Kinde, überschluckt zu werden. Es ist die Bauerschaft, die seit mehr als 150 Jahren im Süden durch die Köln-Mindener Straße mit der großen Welt verbunden ist, und deren Einwohner sich dort heute schon mit Vorliebe als Wittler bezeichnen. Aber das Zentrum dieser Bauerschaft, das sich auch für den Namen verantwortlich fühlt, der „Hagen“, will Bischofshagen bleiben!

Schon seit grauer Vorzeit führt der alte Hellweg über die Höhe des „Hagen“ und dürfte ebenso wie sein Nachfolger, der alte Postweg, manches bedeutende Ereignis verschwiegen in seinem Knüppeldamm verwahren. Wer wollte sich unterfangen und aufzuzählen versuchen, welche geschichtlichen Größen mit ihrem Gefolge hier durchzogen! Wer wollte versuchen, sich auszumalen welche Handelszüge, welche Soldateska und welches Gesindel hier die Bauernhöfe auf dem Hagen belästigten! – Aber bleiben wir zunächst einmal bei den geschichtlichen Tatsachen.

Da heißt es in einem Nekrolog, einem alten Totenverzeichnis zum 20. Juli 1209: „Im Jahre des Herrn 1209 verstarb Heinrich Bischof zu Minden, welcher gab (bestimmte) den Zehnten der Brüder (        ) in Bischofshagen zu gewähren. Er (wohl der Bischof) war im Ambt 3 Jahre, 4 Monate, 3 Wochen, 4 Tage.“ – Wenn wir auch davon absehen, aus dieser Eintragung folgern zu wollen, das sich auf dem „Hagen des Bischofs“ ein Kloster befand, das sich der besonderen Wertschätzung des Mindener Bischofs erfreute, so muß man doch wohl annehmen, daß der Bischof Heinrich hier Brüder oder Mönche mit besonderen Aufgaben stationiert hatte. Diese Vermutung könnte uns auch näher an die Namendeutung unseres Ortes heranführen. Möglicherweise hat Bischof Heinrich durch die Anlage einer „Hagensiedlung“ die Kultivierung des Busch- Waldgeländes besonders gefördert oder durch die „Frater“ besonders geistlich betreuen lassen. Könnte aber nicht der Name eines unserer ältesten Bauernhöfe die Annahme der Umgebung unterstreichen?

Der Besitzer des Hofes Stühmeier, Bischofshagen Nr. 5, wird in einem alten Höfeverzeichnis aus dem Jahre 1683 als „Jürgen itzo Henrich Stiegemeier, ein dem Ambt Eigenbehörigen Halbspänner“ bezeichnet. Zwar ist der „Stühmeier“ der im Gestrüpp Wohnende, und hat gewiß seinen Namen hier nicht zu Unrecht. Aber man kann auch kaum annehmen, daß es sich um eine Entstellung des Namens handelt. „Stiegemeier“ aber würde hier andeuten, daß sich hier ein Durchstieg durch den Hagen befunden habe, dessen Betreuung dem „Stühmeier-Stiegemeier“ aufgetragen war. Der Hof war zu jener Zeit mit seinen 94 Morgen, 9 Ruthen, 5 Fuß der drittgrößte der Bauerschaft Bischofshagen. Seine Abgaben jedoch waren gemessen an seiner Größe mit 25 Scheffel Hafer, 6 Scheffel Roggen und 6 Scheffel Gerste recht günstig.

Aber bleiben wir nun heute auch auf dem engeren „ Hagen“ und lassen die übrigen Teile der Bauerschaft ganz außer Betracht. Es wurde schon angedeutet, daß gerade dieser Bezirk bei der Bildung der Bauerschaft und der Untervogtei Bischofshagen Patendienste getan hat. – Im Mittelpunkt des „Hagen“, unmittelbar am Hellweg-Postweg, liegt die Schule, die immerhin schon seit dem Jahre 1660 nachzuweisen ist. Wenn sie auch nicht richtungweisend für die Besiedlung sein konnte, da die umliegenden Höfe unbestritten älter sind als das Bildungszentrum, so liegen diese älteren Höfe doch ringartig im die Schule gruppiert.

Da liegen zunächst in nordwestlicher Richtung die Halbspännerhöfe Bögeholz, Bischofshagen Nr. 9 und „Lüttke Bögeholz“, auch Dirksmeier genannt (jetzt Johannsmeier), Bischofshagen Nr. 11. Sie sowohl wie auch der Brinksitzer Bögeholz, später Krämer (jetzt Homburg Bischofshagen Nr. 57), sind durch Abtrennung vom alten Bögeholzhofe entstanden. Der Name Bögeholz weist wieder auf den Buschcharakter des Geländes hin. Auf dem Hofe Dirksmeier befand sich lange Zeit die Dorfschmiede.

Nach Südosten hin schloß sich an diese Hoflage der Bischofshagener Meierhof an, dessen Besitzer um die Mitte des vorigen Jahrhunderts über den großen Teich nach Amerika auswanderte. Die Ländereien dieses Hofes, der Halbspänner Heinrich Thielecker, itzo Otto Meyer, Bischofshagen Nr. 12, verfügte im Jahre 1683 über 60 7/8 Morgen, 10 Ruthen, 5 ½ Fuß, wurden von den Nachbarn aufgekauft. Lediglich der „Lüttke Krug“, der seiner Hausinschrift und seiner Lage nach zum Meierhof gehörte, hält die Tradition wach. Gerade der „Lüttke“ Krug“, und ehedem sein Vorgänger, der „Alte Krug“, scheinen mehr als die Schule der „Mittelpunkt des Dorfes“ gewesen zu sein. Und der Krug scheint seinem Besitzer hier an der Hauptverkehrsstraße genährt zu haben, denn das Amt Hausberge erhob von ihm jährlich vier Thaler „Kruggeld“, wärend seine „Konkurenz“, Hermann auf der Armöde in Mahnen mit drei Groschen davon kam.

Grundnachbar des „Lüttgen Krögers“ war der Brinksitzer Otto Kemena, der ebenso wenig von seinen nicht ganz 7 Morgen Land leben konnte, wie der Lüttke Kröger von seinen knapp 3 Morgen. Er mußte sich also auch nach einem Nebenerwerb umsehen. Er wurde der Begründer der Bischofshagener „Kaufmannsgilde“. Er führte deshalb schon vor rund 300 Jahren den Beinamen „Höcker“ und hat seinen Kleinhandel noch bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts geführt. Die Nachfolgeschaft des „Höckers“ übernahm dann „Tiunloöttken“ mit ihrem Sohn „Tiunstoffa“ (Bögeholz), die bei alten Krügers „hinter dem Zaune“ eine Kolonialwarenhandlung, eine Gastwirtschaft und weiterhin auch eine Bäckerei betrieben, zumal der „Lüttke Krug“ nach dem Neubau der Köln-Mindener Straße um die vorletzte Jahrhundertwende seine überörtliche Bedeutung verloren hatte.

Wenden wir uns nun noch kurz den weiteren Höfen auf dem Hagen zu. Da lag zwischen der „Höckeruigge“ und dem Stühhofe noch der Sanderhof, vermutlich ein Sohn des letzteren. Auch der Sanderhof Bischofshagen Nr. 48, erfuhr kurz vor 1683 noch eine Teilung. Hermann Sander erhielt das kleine Stück und machte sich in den Ellern selbstständig, und der Name Ellerherm haftet auch heute noch dem Besitzer Stickdorn, Bischofshagen Nr. 61, an. Der Sanderhof selbst wurde ebenfalls um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aufgeteilt, da der Besitzer nach Amerika ging.

Auch der Brinksitzer Johann Vogelsang (Wortmann, Bischofshagen Nr. 35) am Rande der allgemeinen Mark angesiedelt, konnte von etwa drei Morgen Land nicht leben. Welches Gewerbe er sonst noch betrieb, ist nicht vermeldet, doch scheint er ein ganz lustiger Mann gewesen zu sein .Was könnte ihm sonst zu seinem Namen verholfen haben?

Um nun den engen Ring um die Schule zu schließen, müssen wir unsere Betrachtungen dem Hofe Tacke, Bischofshagen Nr. 22, zuwenden. Der dem Ambt eigenbehörige Brinksizter hatte vor 3oo Jahren gut 3o Morgen Land. Seine Ländereien lagen, wie die der meisten Bauern, „im Felde“, das sich südlich der Siedlungsgruppe „uppen Hagen“ entlangzieht. Ob es die weiten Wege zum Felde waren, oder ob die Unsicherheiten und die Gefahr des Flurdiebstahls es waren, die den Tacke veranlaßten, seinen Hof ins Feld hinauszubauen, läßt sich nicht mehr feststellen. Vielleicht aber haben beide Gründe mitgespielt, denn auch der Donnermann (jetzt Richter, Nr. 21) siedelten kurz vorher vom Hagen nach dem Felde aus. Vermutlich war der Acker des Brinksitzers Heinrich Donnermann noch von besserer Qualität als der des Brinksitzers Johann, itzo (1683) Henrich Tacke, denn Dünnermann mußte von seinen 27 7/8 Morgen 3 Scheffel Roggen und 21 Scheffel Hafer als Zinskorn abgeben, während Tacke von 30 ¼ Morgen nur 20 Scheffel Hafer zu liefern verpflichtet war. Der alte Hof Tacke (jetzt Helmut Tacke, Bischofshagen Nr. 134) wurde in der Familie Tacke weitervererbt, der alte Hof Dünnermann oder Donnermann verkauft, (Wehmeier Bischofshagen Nr. 126). Doch die Ruhe und Abgeschiedenheit des Tackehofes war nicht von langer Dauer. Im Jahre 1934 wurde im „Felde“ der Standortübungsplatz der Garnison Herford eingerichtet. Zu dem dafür benötigten Gelände von rund 92 Hektar gehörte auch der ganze Hof Tacke mit seinen rund 9 Hektar. Die Tacken kehrten nun in die unmittelbare Nähe ihrer „alten Heimat“ zurück und übernahmen den „Alten Krug“. Fast hätte dem Tackenhof schon vor rund 100 Jahren früher das Schicksal ereilt, da seinerzeit der Anerbe und seine Geschwister ihr Glück in Amerika suchten. Der letzte Sohn, der auch schon seine Koffer gepackt hatte, ließ sich dann zu guter Letzt noch bewegen, dem Erbe der Väter und seinen Eltern treu zu bleiben.

Der Vollständigkeit wegen seien hier nun noch die in einem weiteren Ring, in zweiter Linie liegenden Höfe, aus dem vorerwähnten alten Höferegister, die ihre Existenz bis in die Gegenwart hinüberretten konnten. Da sind die Halbspannmeierhöfe Henrich olim Franz Stuke, Bischofshagen Nr.2, mit 60 Morgen, Johann, itzo Jobst Kemper, Bischofshagen Nr. 3 als dem zweitgrößten der Bauerschaft Bischfoshagen mit 98 ½ Morgen, 12 Ruthen, 3 ½ Fuß und der Bernd Eickhoff, itzo Daniel Niemeier, Bischofshagen Nr. 7 (jetzt Kämper) mit 63 3/8 Morgen. Die eigenbehörigen Brinksitzer Otto Thielicker, Bischofshagen Nr. 29 (jetzt Büscher) mit knapp 9 Morgen, Jürgen, itzo Johann Kemper, Bischofshagen Nr. 54 (jetzt Stuke) mit 6 3/8 Morgen, Jobst Stuke, itzo Johann Meyer, Bischofshagen Nr. 53 mit 5 ¾ Morgen und Hanß, itzo Jobst Kleimeyer, Bischofahagen Nr. 50 mit 1 Morgen, scheinen alle noch junge Siedler zu sein. Diesen Eigenbehörigen steht der „Freye Brinksitzer“ Bernd Knopf, Bischofshagen Nr. 36, mit knapp 3 Morgen Grundbesitz gegenüber. Hatte er „seinen Namen mit der Tat“? Hatte er sich auf dem Hagen als Knopfmacher niedergelassen?

„ Immer auf der Höhe!“ 

Mag der „Hagen“ auch heute nicht mehr unmittelbar an den Hauptverkehrsstraßen liegen wie vor Jahrhunderten, so verbinden doch die Eisenbahnlinien im Norden und die Bundesstraße im Süden der Bauerschaft mit der weiten Ferne. Die durch den Ort führende Straße Löhne- Bhf.-Wittel stellt die Verbindung des Lübbecker Raumes mit der Autobahn her. Die Schweichelner Straße bringt in ihrer Verlängerung auch den alten Postweg in Richtung Gohfeld wieder näher an seine alte Bedeutung heran. – Die inzwischen in Bischofshagen heimisch gewordene Industrie weist mit ihrem Finger ebenfalls in die weite Welt hinaus. Schokolade aus Bischofshagen ist bereits in allen Teilen unsers Vaterlandes bekannt und beliebt. Die hier hergestellten Möbel werden über Deutschlands Grenzen hinaus bis nach Frankreich und Spanien versandt, und die Fahrräder reisen sogar bis nach Amerika!

So ganz überheblich erscheint es also doch nicht, wenn die „Häger“ behaupten:

„Wir sind immer auf der Höhe, und Bischofshagen liegt mitten in der Welt“

Heinrich Ottensmeier
aus „Waldbühne Wittel – Spielplan 1963