Alte Heerwege und Handelsstraßen erzählen aus ihrer Geschichte

von
Heinrich Ottensmeier

 

Vom Wildpfad zum Hellweg

Wenn wir die alten Heerwege und Handelstraßen zu uns reden lassen wollen, dann müssen wir uns zunächst einmal über die Entstehung von Wegen und Straßen überhaupt erst einmal Gedanken  machen. – Heute ist es doch weithin so, daß bei neuen Siedlungsvorhaben zuerst die Straßen gebaut werden müssen, um die Anfuhr des Materials zum Hausbau zu ermöglichen. Das war in den Anfangzeiten der Besiedlung unserer Heimat anders.

Wenn unsere Vorfahren sich ansiedelten, wenn sie sich eine Behausung bauten, dann brachte die Anfuhr von Material keine besonderen Probleme, Denn sie verwandten das Material, daß greifbar war. Sie hatten Holz Schilf (Ried), sie hatten alles was sie gegen Wind und Wetter, gegen wilde Tiere gebrauchten.

Wenn dann bei der Nahrungssuche nach Wildfrüchten, Fischen und jagdbaren Tieren weitere Wege zurückgelegt werden mußten, benutzten sie die Trampelpfade der Tiere, die in vielen Windungen und Krümmungen um alle größeren Hindernisse herumführten. Diese Wildpfade wurden auch benutzt, wenn man von einem Nachbarn zum anderen wollte. Gewiß wurden die Pfade mit der Zeit nach Bedarf verbreitert und begradigt, aber von Wegen im heutigen Sinne kann keine Rede sein. Eine gewisse Verbreiterung erfuhren die Pfade durch das Schleppen von größeren Wildstücken, von Steinen und Bäumen. Vom Schleppen kam man zum Rollen, von den menschlichen „Zugmaschinen“ zu Zugtieren, und das bedingt eine weitere Begradigung und Verbreiterung der „Wege“. Die ersten Wege führten im wesentlichen zu Tränken, zu Quellen und Bächen und darüber hinaus zum Nachbarn. Diese Wege vom Nachbarn zum Nachbarn wurden allmählich weiterentwickelt und erhielten im Laufe der Zeit eine überörtliche Bedeutung. Noch in meiner Jugendzeit vor 70 bis 80 Jahren ließ sich nachweisen, wie die meisten Hauptwege von Hof zu Hof oder unmittelbar daran vorüberführten, Fußwege aber einfach querfeldein zu einem bestimmten Ziele, zur Kirche, zur Schule oder anderen bedeutsamen Zielen führten.

Um die Wege zu verbreitern, mußten Bäume gefällt werden. Es wurde hell im Walde. Man könnte so einfach und primitiv „Hellweg“ erklären. Es kam natürlich keine Wegebaukolonne, sondern jeder bahnte sich, soweit nötig, selbst einen Weg oder zog auf anliegenden Ödländereien eine neue Spur. Der Name Hellweg aber hängt wohl auch mit „Hohlweg“ zusammen. Man suchte bei der Begradigung und Verbreiterung der überörtlichen Wege sie möglichst an den Abhängen der Täler und Sieke entlangzuführen. Hier hatte man festen Grund gegenüber den Niederungen, brauchte andererseits nicht über beschwerliche und steigungsreiche Höhen zu fahren. So bedeutet auch „Hellweg“, der am Abhang entlang führende Weg. Ein Beispiel dafür könnte uns auch heute noch der Hellweg auf seiner Strecke von Gohfeld nach Bischofshagen sein.

Wenn wir diese Wege auch als Handelstraßen bezeichnen, dann müssen wir uns fragen, was hier denn gehandelt wurde. Ein Haupthandelobjekt war das Salz. Schon im 8. Jahrhundert wurde zwischen Ruhr und Lippe Salz gewonnen. Wenn man an die Namen Halle und Halloren denkt, könnte Hellweg vielleicht auch Salzweg bedeuten.

In diesem Zusammenhang möchte ich an die Soester Börde, die wir auch als Hellweg bezeichnen, erinnern, die sich gleichsam als Ostenhellweg und Westenhellweg in der Stadt Dortmund fortsetzt. Wenn sich diese alte Heerstraße auch in Richtung Paderborn gen Osten zieht, so ist doch unser Hellweg ebenfalls eine alte Heerstraße, die vom Rhein zur Weser führt.

Nun wollen wir uns aber noch einwenig mit dem Hellweg beschäftigen, der im Löhner Raum noch erkennbar ist. Wir wollen ihn also von der Gohfelder Werrebrücke, hier mußte er ursprünglich eine Furt überwinden, bis zum Brömkens- oder Bredenbach, der heute als „Bramschebach“ in die „Kartographie“ eingegangen ist, verfolgen. Wenn der Weg die Werre mit seinen Unberechenbarkeiten und Schwierigkeiten und das Bruchland („Depenbrock“) überwunden hatte, strebte er über den Helmsberg den Höhen des „Hagen“ (Bischofshagen) zu. Ich nehme an, daß der Helmsberg den Anwohnern des Werretales und dem Vieh bei Hochwasser Schutz (Helm = Schutz) bot und daher seinen Namen erhielt. – Der weitere Weg trifft mit der „Moderne“ zusammen. Nicht nur, daß er die Eisenbahn unterqueren muß, sondern auch das Teilstück der Autobahn muß mit Hilfe einer Brücke überwunden werden, um dann in der alten Siedlung „In den Höfen“ mit der Löhner Industrie in Berührung zu kommen. Sowohl der „Vollenhof“, früher Jöllenbeck Nr. 9 (Ottensmeyer), wie auch der „Richterhof“, früher Depenbrock Nr. 5, die Veranlassung für die Flurbezeichnung „In den Höfen“ waren, haben Ländereinen zu dem heutigen Industriegebiet lassen müssen, so das in absehbarer Zeit der Sinn der alten Flurbezeichnung kaum noch geahnt werden kann. Ob der Richterhof einst aus dem gefährlichen „tiefen Bruch“ ausgesiedelt wurde, läßt sich nur vermuten. Die Annahme, daß sich hier einst eine Gerichtsstätte befunden habe, wird durch die sich in der Nähe befindlichen Flurbezeichnungen „Galgenkamp“ und „Roßdall“ unterstrichen.

Nur wenige Minuten von hier entfernt, reizt uns die Flurbezeichnung „Judenplatz“ zum Nachdenken und Verweilen. Woher kommt hier an der Einmündung des „Leinkampes“ in den „Hellweg“ die Bezeichnung „Judenplatz“? Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß der Name, den auch heute noch der Volksmund festhält, im  frühen Mittelalter, in der Zeit der Judenverfolgung entstanden ist. Schon die fränkische Geistlichkeit verbot den Verkehr zwischen Christen und Juden. Die Verbote wurden nach vorübergehender Aufhebung im 13. Jahrhundert verschiedentlich erneuert. Es ist daher wahrscheinlich, daß durchreisende jüdische Kaufleute und Händler das Übernachten innerhalb der Siedlung oder in den Krügen verwehrt war. Für diesen wurde ihnen in unmittelbarer Nähe des Hellweges ein Platz, eben der „Judenplatz“, zugewiesen.

Der Hellweg verläuft dann weiter am Abhang des „Katzensiekes“, um dann, wenn er die Höhe des Häger Brinkes „erklettert“ hat, seine Aufgabe dem alten Postweg zu übergeben.

Auf dieser letzten Strecke, noch heute als Hellweg bezeichnet, begleitete ihn in langen Jahrhunderten finsterer Wald. Erst um die vorletzte Jahrhundertwende kam die Zeit, in der der Wald nach und nach der fortschreitenden Besiedlung weichen mußte. Auch das „Raubgesindel“ des Waldes wurde allmählich in die weniger zugänglichen Sieke gedrängt. Von hier aus konnten Füchse und Marder ihr blutiges Handwerk ausüben. (Von der Fuchsplage wissen noch heute die hühnerhaltenden Anlieger ein trauriges Lied zu singen.) Dem überreichen Bestand an „Moadakaddn“ (Mardern) in früheren Zeiten dürften „Kaddnsiek“ und „Kaddnbusk“ ihren Namen verdanken.

Was der alte Hellweg alles über sich hat ergehen und „erfahren“ lassen müssen läßt sich kaum erahnen. Gewiß sind auch die Kämpfe zwischen den Römern und Germanen nicht spurlos an unserer Heimat vorübergegangen. Nach einem Bericht des Vellujus ist es nicht ausgeschlossen, daß der römische Feldherr Tiberius an der Quelle oder Mündung der Jule (Jolabeke?), also unweit des Hellweges, im Jahre 4/5 n. Chr. ein Winterlager durchführte. Auch die Kriege zwischen den Franken und den Sachsen, also zwischen Karl dem Großen und Wittekind, haben unsere engere Heimat sicherlich nicht unberührt gelassen. Daß der Dreißigjährige Krieg seine furchtbaren Auswirkungen hier gehabt hat, mögen zwei Notizen aus den Gohfelder Kirchenbüchern belegen. Im Totenregister des Jahres 1641 heißt es: „Wulf Stühmeier ufm Bischofshagen und Otto Noltings ufm Helmsberg. So beide am Sonntag Palmarum allhier in der Kirche erschossen.“„Zweiter Adjunkt Pastor Borstedes wurde im Jahre 1626 Johannes Siegmann, der aber nicht lange danach, da er einen Hieb in den Kopf von einem Soldaten gekriegt, erblasset“. 

Was könnte uns nun der „Alte Postweg“ berichten?

Wenn wir uns jetzt dem „Alten Postweg“ zuwenden, dann müssen wir zunächst den Versuch machen, seinen ursprünglichen Verlauf festzustellen. Er ist der Nachfolger des Hellweges und verläuft in etwa gleicher, aber verbesserter Richtung. Seine Einmündung in unseren jetzigen Stadtbereich war durch den „Hagemeierschen Bückenkopf“, durch die dortige Furt oder Brücke, bedingt Auch von der Werre bis zum „Alten Krug“ in Gohfeld folgte er den Spuren seines Vorläufers am Unterlauf des Sudbaches entlang. Ob er sich schon hier eigene Wege suchte, ob er den „Hellweg“ schon hier verließ, weil dieser nach Westen abbog und hinter dem Schmidtschen Hofe über den jetzt verschwundenen Hof Nolting, Jöllenbeck Nr. 5, dem Helmsberg zustrebte, oder ob ihn der Hellweg weiter in südlicher Richtung bis zur „Flagenstraße“ „an die Hand nahm“, vermag ich nicht mehr auszumachen. Jedenfalls wurde der „Alte Postweg“ an der Kirche vorbei durch das Sudfeld, den Kleihof rechts liegenlassend, in fast gerader Flucht zum Bischofshagen geführt. Damit wurde dieser neue Weg gegenüber dem Hellweg bedeutend verkürzt und verbessert. – Im Vertrag zu Xanten im Jahre 1614 war die Grafschaft Ravensberg an Brandenburg gekommen. Als nun 1648 im Frieden zu Münster und Osnabrück der Große Kurfürst auch das Bistum Minden erhielt, legte er zu den getrennt liegenden Landesteilen eine Verbindungsstraße an, die vom Rhein bis Memel, allerdings auch durch andere Länder, führte. Weil sie vor allen Dingen dem nunmehr organisierten  Postverkehr diente, bekam sie den Namen „Postweg“ oder „Poststraße“. Auch heute ist sie unter der Bezeichnung „Alter Postweg“ noch weithin bekannt. Der Postweg war also bis zum Bau der Köln-Mindener Straße, auf die wir noch zurückkommen werden, die   Hauptverkehrsstraße zwischen Berlin und den westlichen Landesteilen.

Wenn die Straße, wie der Name „Postweg“ sagt, auch in erster Linie friedlichen Aufgaben dienen sollte, so war doch nicht zu verhindern, daß rund hundert Jahre nach seinem Ausbau preußische und fremdländische Heere auf ihm durch unsere Heimat zogen und hier unliebsamen Aufenthalt nahmen. Neben anderen kriegerischen Ereignissen wurde unsere Heimat und damit auch der Postweg durch die Schlacht bei Minden und das Gefecht bei Gohfeld am 1. August 1759 in Mitleidenschaft gezogen. Der Anmarsch der Franzosen erfolgte über Bischofshagen und das blutige Geschehen ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Postweges („Blutwiese“)! Pastor Friedrich August Weihe, der bekannte Erweckungsprediger in Gohfeld, konnte am Abend des Schlachttages den Sieger des Gefechtes, den Erbprinzen Karl von Braunschweig und wenige Tage später auch seinen Vater, den Sieger von Minden, Herzog Ferdinand von Braunschweig, in seinem Hause empfangen.

Wie es sonst in diesen kriegerischen Zeiten am „Alten Postweg“ aussah, möge der folgende Auszug aus einer Brautschatzverschreibung aus dem Jahre 1761 andeuten. Die Heiratsgenehmigung für die Anne Marie Elisabeth Kleine Krüger und den Johann Hermann Pahmeier wird mit folgender Begründung beantragt: „Die Eltern der Braut sind verstorben. Der Bruder ist zum Militär eingezogen und soll von dort entflohen sein. Bei der Rückkehr soll ihm ein Abstand von 20 Talern gezahlt werden. Die Braut (junges Mädchen) könnte der Stätte nicht länger allein vorstehen, zudem das Haus an der Poststraße liege. Das Dach sei undicht und keine Tür mehr im Hause. Die Braut sei keinen Augenblick sicher“.

Wir verstehen, daß der bereits genannte Pastor Friedrich August Weihe 1763 in seinem „Danklied auf den allgemeinen Frieden“ sang.

                                                „Fühlest du nicht auch die Rute,
                                                die der Welt gebunden war?
                                                Schwamm nicht unser Volk im Blute?
                                                drückte nicht der Feinde Schar
                                                dich und deine armen Brüder?
                                                Nun gibt Gott die Ruhe wieder.
                                                Sage: Tausendmal sei dir,
                                                treuer Vater, Dank dafür.

                                                Alles nahm der Feind zur Beute,
                                                nicht nur Häuser, Hab und Gut,
                                                nein , auch soviel arme Leute,
                                                unser eigen Fleisch und Blut,
                                                Unsre Weiber, Mütter, Kinder;
                                                nun vertreib sie Gott die Sünder.
                                                Sage: Tausendmal sei dir,
                                                treuer Vater, Dank dafür.

                                                Wieviel Kirchen standen öde!
                                                Manche war ein Krankenhaus.
                                                Wie hielt uns der Feind so schnöde!
                                                Unser Gottesdienst war aus.
                                                Gott erhört geheimes Flehen,
                                                läßt uns endlich Hilfe sehen.
                                                Sage: Tausendmal sei dir
                                                treuer Vater, Dank dafür“.

Aber nicht nur in Kriegszeiten war der „Postweg“ „übelbeleumdet“. Er wird sogar für mitschuldig an den schlimmen „sittlich-religiösen Zuständen“ in Gohfeld vor den Zeiten Weihes und des Siebenjährigen Krieges erklärt. Karl Kornfeld schreibt in seiner „Geschichte des Kirchspiel Gohfeld“: „Die Gohfelder waren geradezu weit und breit berüchtigt ihres wüsten Treibens, ihrer Streitsucht und Rohheit wegen. Mitschuld an den trostlosen Verhältnissen war auch die Lage der Gemeinde an der Heer- und Poststraße. – Auf dieser Straße, die einen Großteil des Kirchspiel berührte und durchschnitt, trieb sich naturgemäß auch allerhand vagabundierendes Gesindel herum, das für die heillosen Zustände auf religiös-sittlichem Gebiet mit verantwortlich gemacht werden mußte. Überfälle und Vergewaltigungen jeder Art durch solche Strolche sind nicht selten vorgekommen.“

Aber es soll ja nicht nur von Kriegs- und Notzeiten berichtet werden. Hören wir auch ein paar fröhliche Erzählungen, selbst, wenn es Anekdoten sind. Wenn auch der „Alte Postweg“ gegenüber dem Hellweg eine wesentliche Verbesserung brachte, so ist er doch keineswegs mit den heutigen Wegen und Straßen in Vergleich zu setzen. Noch vor wenigen Jahrzehnten fand  man an einigen Stellen unter der Lehm- und Steinschicht eichene Bohlen und Schlagholz, das zur Befestigung und notdürftigen Ausbesserung des Weges benutzt worden war.

In Abständen von etwa zwei Meilen wurden die Pferde und Postkutschen und andere Postwagen bei der Posthaltestelle gewechselt. Eine solche Posthaltestelle befand sich auch in Bischofshagen, unweit der immerhin bis zum Jahre 1660 nachweisbaren Schule, etwa dort, wo die heutige Besitzung Kruse (früher Bischofshagen Nr. 56) liegt. Von alten Leuten wird das Gehöft auch heute noch als „Lüttke Kreog“ („Kleiner Krug“) und sein Besitzer als „Lüttke Kroeger“ bezeichnet. Bei dieser Haltestelle soll sich nachstehende interessante Begebenheit abgespielt haben:

24 Taler

Friedrich der Große besuchte nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges seine Länder, um überall nach dem Rechten zu sehen. Er fuhr eines Tages von Minden nach Herford. Der derzeitige Lehrer, dessen Name leider der Nachwelt nicht überliefert ist, hörte vom Kommen des großen Königs. Er stellte sich mit seinen Schulkindern am „Lüttken Kreog“, der Bischofshagener Posthaltestelle auf. Nach dem der König herangekommen war, begrüßten ihn  Lehrer und Schüler mit dem Choral:

                                                 „Auf, auf , ihr Reichsgenossen,
                                                 eur’ König kommt heran!
                                                 Empfanget unverdrossen
                                                 den großen Wundermann,
                                                 ihr Christen, geht herfür,
                                                 laßt uns vor allen Dingen
                                                 ihm Hosianna singen
                                                 mit heiliger Begier.“

Das Lied, das wir auch noch in unserm „Evangelischen Kirchengesangbuch“ finden, und die Rede des Schulmeisters gefielen anscheinend dem König sehr. In der sich anschließenden Unterhaltung erkundigte sich  Friedrich nach den Einkünften des Lehrers. Als dieser hörte, daß diese sehr schmal bemessen seien, vermachte er dem Häger Schulmeister eine  Sonderzulage von jährlich 24 Talern. Und diese Zulage ist bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gezahlt worden.

Die Schneiderrechnung

Der Volksmund berichtet dazu, allerdings wenig glaubhaft, daß der Lehrer dem König bei seiner Durchreise durch Bischofshagen eine Bittschrift zur Erhöhung seiner kärglichen Bezüge habe überreichen wollen. Bei der Übergabe habe er dann versehentlich eine ebenfalls in der Tasche steckende Schneiderrechnung über 24 Taler ergriffen. dies sei dann die Veranlassung zu der Bewilligung der Zulage in Höhe von 24 Talern gewesen.

Der Volksmund weiß auch noch von einer Begegnung des Königs mit einem alten Bauern zu berichten, die nicht minder originell, vielleicht aber recht charakteristisch für unsere eingesessene Bevölkerung sein mag. –

„Habe keine Zeit“

Zwischen Gohfeld und Bischofshagen, ebenfalls unmittelbar am alten Postweg, liegt der uralte Kleihof, Jöllenbeck Nr. 1. Der damalige Kleihofbauer, in Mühe und Arbeit alt und grau geworden, quält sich auf seinem Acker, als wieder einmal der „Alte Fritz“ vorbei fuhr. Als dieser den sich mühenden Greis erblickte, ließ er den Wagen halten und den Mann zu sich beordern, ohne jedoch zu verraten, wer sich in dem Wagen befinde. Der Kleihofbauer ist aber nicht zum Kommen zu bewegen, da er angeblich keine Zeit hatte. Als der Bediente des Königs zum zweiten Male erscheint und erklärt, daß es der König von Preußen sei, der den Bauern zu sich entbieten lasse, erwidert dieser, wenn der König von Preußen etwas von ihm wolle, dann möge er sich nur hermühen, denn der König habe noch jüngere Beine als er. Als der Monarch dann seinen Begleiter zum dritten Male zu dem westfälischen Bauern schickt und ihm sagen läßt, wenn er seiner Aufforderung nachgekommen wäre, hätte er seinen Hof von allen staatlichen Abgaben befreit, da eilte der Greis, soll schnell ihn seine Füße tragen konnten, dem Gefährt auf dem Postweg zu, doch nun ist es zu spät. Die Pferde ziehen an und sind schnell den Blicken des alten Kleihofbauern entschwunden. – Eine Anekdote! Aber hat sie nicht doch einen wahren Hintergrund? – Eine Eintragung im Gohfelder Kirchenregister besagt, daß am 22. Februar 1766 Joh. Bernd Kleimeyer im Alter von 108 (!) Jahren verstarb.

Wir deuteten  schon an, daß der „Alte Postweg“ auf der Höhe des Bischofshagens den Spuren des Hellwegs folgt. doch mußte er hier besonders auch nach dem Verlassen des Dorfes Gohfeld sich allerlei „Gewalttätigkeiten“ gefallen lassen. Den eigentlichen „Alten Postweg“ von der Gohfelder Kirche bis zum jetzigen neuen „Alten Postweg“ nennt man jetzt „Alter Landweg“. Das was sich jetzt von der Weihestraße bis nahe zum Kleihof „Alter Postweg“ nennt, ist eben ein ganz neuer „Alter Postweg“ der sogar von einem gepflasterten Radweg bis zum Hagen begleitet wird. Auch an der Bischofshagener Schule hat er sich im Jahre 1954 eine Begradigung, beziehungsweise Verlegung, um etwa 10 bis 20 Meter nach Süden gefallen lassen müssen, um Raum für den 1956 fertiggestellten Schulanbau zu gewinnen. Von hier hält die jetzige Schweichelner Straße zunächst seine Spur fest, bis er dann wieder selbständig dem Brömkesbach und damit der Stadtgrenze zustrebt. Hier hat er nun mehr als eineinhalb Jahrzehnte lang die Bezeichnung „Unterer Postweg“ führen dürfen, bis ihm die Stadtväter, immer wieder an die schlimme Zeit des „Dritten Reiches erinnernd, den Namen „Am Truppenübungsplatz“ gaben. Im Herforder Bereich heißt er dann “Alter Grenzweg“. Man will damit die Erinnerung wachhalten an die Zeit, als der „Alte Postweg“ hier auch die Grenze zwischen dem Bistum Minden und der Grafschaft Ravensberg bildete. Ein leider sehr lädierter Grenzstein aus der alten Zeit will das noch heute unter Beweis stellen (Der Grenzstein ist inzwischen nicht mehr vorhanden.  

Und nun hat die Köln-Mindener Straße das Wort

Als der Reichsfreiherr Karl vom und zum Stein im Jahre 1796 zum Oberpräsidenten der Kammer-Collegia von Minden-Ravenberg, Tecklenburg und Lingen berufen wurde, vereinigte er dieses Präsidium mit dem von Kleve-Mark. Er sah seine vornehmste Aufgabe darin, den inneren Markt zu heben, um wenigsten einen Teil des für die westlichen preußischen Gebiete verlorengegangenen Außenhandels auszugleichen. Bei der Durchführung dieser Aufgaben mußte er unter anderem sein Augenmerk auf den Ausbau des Straßennetzes legen. Vor allen Dingen sollte das Straßennetz der Mark durch den Bau eíner Chaussee von Bielefeld nach Minden eine Weiterung erfahren. Der Bau dieser Straße kam dann auch zur Ausführung.

Genaue Daten über den Beginn des Baues und die Inbetriebnahme liegen mir leider nicht vor, Doch müssen die Arbeiten anscheinend im Jahre 1798 begonnen haben. Die folgende Notiz aus dem „Rheinisch-Westphälischen Anzeiger“ 1796 läßt auch keinen genauen Termin erkennen:

„Im Jahre 1796 sollte die neue Chaussee von Bielefeld über Herford nach Minden durch das an der Werre liegende Dorf Gohfeld gebaut werden, sodann von dieser Straße rechts ab längs dem rechten Werre-Ufer gerade über die Felder nach Neusalzwerk, und von da über die Werre-Brücke wieder nach der alten Straße durch die Porta Westfalica nach Minden geführt werden“. – In einem Schreiben der Kriegs- und Domänenkammer in Minden vom 21. Dezember 1799 werden die Vogteien Schnathorst und Quernheim  angewiesen, zwanzig beziehungsweise siebenunddreißig  vierspännige Wagen für die Anfuhr von  Befestigungsmaterial für die im Bau befindliche Chaussee auf der Strecke von Neu-Salzwerk (Bad Oeynhausen) bis Herford zu stellen. Als Aufladepunkt werden der Vogtei Schnathorst die Steingruben bei Eickhoff und Krüger, 1 ½  Stunden von Herford entfernt, angewiesen. Obwohl hier eine nähere Ortsangabe fehlt, kann es sich nur um die Krügerschen Steingruben und die des benachbarten Eickhofes in Bischofshagen handeln. Die Quernheimer haben „im Sudbrink“ und „im Hoppensiek“ (Haupensiek) zu laden. In dem Schreiben sind auch Anweisungen enthalten, die sicherstellen sollen, daß die Fuhrleute ihre Pferde nicht zu sehr „schonen“ und die Gefährte entsprechend beladen. Wenn hier schon die Anfuhr von Befestigungsmaterial durch die Bewohner von verhältnismäßig entfernt liegenden Gemeinden angeordnet wird, muß man annehmen, daß die Bodenarbeiten doch wohl schon 1798 begonnen und wahrscheinlich von den anliegenden Gemeinden durchgeführt wurden. Die neue Chaussee, fälschlich sehr oft als „Napoleonsweg“ bezeichnet, hatte gewiß auch strategische Bedeutung, zumal sie nach Westen hin an der Egge vorübergeführt wurde. Dieses Teilstück wird im Bereich Herford-Schwarzenmoor als „Alte Heerstraße“ bezeichnet. Die Chaussee wurde „zweigleisig“ angelegt. Das heißt, die eine Spur wurde chausseemäßig mit einer Steindecke versehen, während der „Sommerweg“ dem Vieh entgegenkommen sollte. Die spätere Verkürzung über die „Heoge“ (Hofe) wurde nicht so breit angelegt.

             Heinrich Ottensmeier
aus „Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen“ Heft 8/9 1982